EN: Flatworms
DE: Freilebende Plattwürmer | Meeresstrudelwürmer
Ordnung
Meeresstrudelwürmer
(Polycladida)
Grösse
1 mm bis 30 cm
Nahrung
Meist karnivor
Vorkommen
Tropische
Meere
Die Ordnung der Meeresstrudelwürmer umfasst eine Gruppe von freilebenden Plattwürmern. Von der Abstammung her sind Meeresstrudelwürmer sogar im selben Stamm mit parasitischen Bandwürmern verwandt. Die anderen Teile des Stammes machen rund drei Viertel des Stammes aus. Meeresstrudelwürmer sind hauptsächlich in Korallenriffen tropischer Meere anzutreffen und räuberisch unterwegs. Obwohl sie die Wissenschaft seit über 150 Jahren kennt, ist nicht sehr viel über sie bekannt.
Körperbau
Gleich wie ihre anderen Plattwurm-Verwandten sind sie sehr flach gebaut und nie mehr als wenige Millimeter dick, denn sie verfügen über keinerlei Atmungsorgane oder Bluttransportsysteme. Diese Arbeit übernehmen bestimmte Zellen, die nahe an der Körperoberfläche liegen. Sie können mit ihren 1 mm-30 cm nicht nur recht lang, sondern teils auch sehr breit werden. Einige Arten sind eher rund, einige eher oval und schmal. Die ovalen Arten imitieren dabei oft Nacktkiemer (Nacktschnecken), mit welchen sie entsprechend verwechselt werden. Mehr zu den von Imitation beeinflussten Merkmalen können weiter unten unter «Mimikry» nachgelesen werden. Bei den meisten Arten ist die Hautoberfläche flach und geschmeidig, sie kann aber auch kleine Höcker oder sogar fühlerähnliche Anhängsel am Kopfende haben.
Am Kopfende befinden sich auch zwei tentakelähnliche Falten, welche nicht etwa nur der Mimikry dienen, sondern einen anderen Zeck haben: Die darin enthaltenen Rezeptoren sind sehr lichtempfindliche Sinnesorgane. Zusammen mit dem Augenfleck beim Gehirn (sofern man das so nennen kann) ermöglichen sie die Ermittlung der Richtung, aus der das Licht kommt. Mechanorezeptoren, sozusagen «mechanische Empfänger», und andere Zysten geben dem Plattwurm Auskunft über die Schwerkraft (wo er sich befindet), während chemische Rezeptoren bei der Nahrungs- und Partnersuche helfen. Somit ganz viele Rezeptoren für so einen kleinen, flachen und einfach gebauten Körper.
Ihre Regenerationsfähigkeit ist sehr beeindruckend und sie können einen Angriff durch Raubfische gut wegstecken. Sie zerfallen bei Angriff in verschiedene Teile, wovon sich jeder wieder zu einem Individuum regenerieren kann. Diese beeindruckende Eigenschaft macht es Forschern dafür umso schwerer sie zu fangen, zu präparieren und somit ihre Unterordnung systematisch zu erforschen.
Fortbewegung
Der Körperbau dieser Plattwürmer macht sie verformbar und an die Bodenoberfläche anpassungsfähig, sodass sie über alles kriechen können. Dank Wimpern auf der Hautoberfläche bewegen sie sich agil und schnell fort. Sie verfügen über zwei Arten von Muskeln, die äussere Ringmuskulatur und die innere Längsmuskulatur. Einige Arten können durch Anspannen und Entspannen ihrer Längs- und Ringmuskulatur sogar schwimmen. Die Ränder des Wurmes bewegen sich dabei wie eine Rockrüsche und erinnern wiederum an einige Nacktkiemerarten.
Fortpflanzung
Plattwürmer sind Zwitter und verfügen immer über weibliche und männliche Geschlechtsorgane. Treffen zwei Würmer aufeinander, geht ein wirbelnder Peniskampf los. Beide Würmer schlängeln sich umeinander und jeder versucht mit seinem Penis den anderen Wurm zu befruchten. Bei diesem Kampf wird wild drauflos gestochen und es führt schon mal zu bösen Verletzungen. Der Sieger bleibt dann einige Minuten in Position und deponiert das Sperma durch die Haut des anderen Wurmes. Die Haut absorbiert das Sperma, welches wie magisch angezogen seinen Weg zu den Eiern findet und sie befruchtet. Studien bei einigen Arten haben aufgezeigt, dass Meeresstrudelwürmer stets mehr Sperma geben wollen, als sie bereit sind zu empfangen. So wird das «Weibchen» immer versuchen auszuweichen, während es gleichzeitig als «Männchen» zu gewinnen versucht. Dies führt dazu, dass der bessere «Stecher» und somit der Stärkere versus eines schwächeren Partners, zur erfolgreichen Fortpflanzung kommt. Dies wiederum führt zu erfolgreicheren Nachkommen und sichert das Überleben der Spezies. Die befruchteten Eier werden als einlagige, unregelmässige Eimasse nah an einer Futterquelle deponiert. Nach einer Entwicklungszeit von ca. zehn Tagen schlüpfen dann die kleinen, transparenten Larven.
Verhalten
Die meisten Meeresstrudelwürmer sind nachts auf der Jagd um selber besser vor Fressfeinden geschützt zu sein. Tagsüber verstecken sie sich in der Regel in kleinen Höhlen, Nischen, unter Steinen oder inmitten Kolonien ihres beliebtesten Futters. Sie sind fleischfressende Räuber und ernähren sich hauptsächlich von sesshaften Tieren wie Schwämmen, Korallenpolypen, Moostierchen, etc. Haben sie Futter gefunden, stülpen sie ihren an der Bauchseite liegenden Rachen über ihr Opfer und verdauen es dank bestimmter Enzyme vor. Die «vegetarischen» Meeresstrudelwürmer ernähren sich indes von Grün- und Kieselalgen.
Mimikry
In jedem Fall besitzen Meeresstrudelwürmer jeweils eine Signalfärbung, die Fressfeinde durch Warnung abschrecken soll. Einige Arten imitieren von der Färbung her offensichtlich giftige Nacktkiemer (z.B. Warzenschnecken oder Prachtsternschnecken). Bei vielen Arten ist jedoch noch nicht erforscht, ob sie wirklich für Fressfeinde ungeniessbar sind (sogenannte Müller’sche Mimikry) oder durch die Imitation eines giftigen Tieres bloss so tun (Bates’sche Mimikry, inzwischen bekannt als Schutzmimikry = Nachahmung eines ungeniessbaren Tieres durch harmlose Tiere zur Täuschung von Fressfeinden).
Auch in der Mimikry gilt: Je mehr, desto besser. Einige Muster scheinen sich gleich mehrere ganz verschiedene Wurm- und Molluskenarten zu teilen, wo jedoch meist nur eine Art der Tiere giftig ist. Diese Muster scheinen gegen Fressfeinde besonders erfolgreich zu sein. Je mehr ungeniessbare Tiere sich ein Muster teilen, desto besser lernen Fressfeinde, das Muster ernst zu nehmen, desto besser sind auch imitierende ungiftige Arten geschützt.
Gift
Bei einigen Meeresstrudelwürmer ist die Signalfärbung todernst gemeint, so zum Beispiel bei Pseudoceros concineus und Planocera tentaculata, bei welchen die Toxine Staurosporin und Tetrodotoxin nachgewiesen wurden.
Staurosporin gehört zu einer Gruppe von Alkaloiden, welche für hochwirksame Antibiotika und starke Insektizide bekannt sind. Es führt zu nicht-selektivem Zelltod. Das gleiche Toxin wurde nicht nur in Pseudoceros concineus nachgewiesen, sondern auch in eine der vom Wurm bevorzugten Seescheiden. Ob der Wurm das Toxin selber produzieren kann ist noch unklar. Es wird allerdings vermutet, dass der Wurm erst nach dem Fressen der bestimmten Seescheide giftig wird. Die Forschung hofft übrigens Staurosporin’s Wirkungsweise genug zu verstehen, um es zur gezielten Therapie gegen Krebs einsetzen zu können. Bisherige Versuche scheinen es aber nicht erfolgreich genug für einen Einsatz, aber immer noch spannend genug für die Forschung zu machen.
Befasst man sich etwas mit den giftigen Unterwassertieren, ist Tetrodotoxin aufgrund seines relativ breiten Vorkommens in sehr unterschiedlichen Tieren bald ein alter Bekannter. Es ist ein hochwirksames und tödliches Nervengift, das den Körper relativ rasch durch Paralyse (einzelne Körperteile, ganzer Körper und schliesslich Atemlähmung) zum Erliegen bringt. Tetrodotoxin ist meist als das Gift des Kugelfisches bekannt, konnte aber bereits in Blauring-Kraken, einigen Krebsen, Schnecken und sogar Seesternen nachgewiesen werden. Auch hier zeigt sich die Forschung interessiert: In geringen Dosen wirkt Tetrodotoxin schmerzlindernd und könnte so eine Einsatzmöglichkeit in der Krebsbehandlung finden. Auch spannend ist bei Tetrodotoxin, dass es als Gegengift zu Batrachotoxin zum Einsatz kommt, das krampfverursachende Gift der südamerikanischen Pfeilgiftfrösche. Batrachotoxin (ca. zehnmal stärker als Tetrodotoxin und das hochwirksamste in seiner Gift-Gruppe) wurde wiederum auch auf dem Gefieder einiger Vogelarten in Neuguinea nachgewiesen, was auf der anderen Seite der Welt von den Pfeilgiftfröschen liegt. Weder Frosch noch Vogel kann Batrachotoxin selber produzieren, die Quelle scheint eher bei einer Gattung Käfer zu liegen, die in beiden Verbreitungsgebieten des Giftes vorkommen. Bleibt nur die Frage, wie das Gegengift in den Fisch, Wurm, Seestern oder Kraken kommt.